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Fortbildungskosten: Entfernungspauschale oder Reisekosten?

11. Juli 2022

Ein Studium oder eine Bildungsmaßnahme ist auch in Zeiten einer Erwerbslosigkeit des Steuerpflichtigen nicht notwendig mit der Folge als Vollzeitstudium oder vollzeitige Bildungsmaßnahme zu qualifizieren, dass die steuerliche Berücksichtigung von Fahrtkosten auf die Entfernungspauschale begrenzt ist (entgegen Tz. 34 des BMF-Schreibens vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228).

Niedersächsisches FG, Urt. v. 16.2.2022 – 4 K 113/20, EFG 2022, 841, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 7/22

Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte sind nur nach den Grundsätzen der Entfernungspauschale absetzbar. Als erste Tätigkeitsstätte gilt auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt ein Vollzeitstudium oder eine vollzeitige Bildungsmaßnahme insbesondere vor, wenn der Steuerpflichtige im Studium oder in der Bildungsmaßnahme für einen Beruf ausgebildet wird und daneben entweder

  • keiner Erwerbstätigkeit nachgeht oder
  • während der gesamten Dauer des Studiums oder der Bildungsmaßnahme eine Erwerbstätigkeit mit durchschnittlich bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit oder in Form eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses (§§ 8 und 8a SGB IV) ausübt.

Diese restriktive Auffassung hat das Niedersächsische FG mit Urteil v. 16.2.2022 abgelehnt.

Ein Studium oder eine Bildungsmaßnahme ist laut FG auch in Zeiten einer Erwerbslosigkeit nicht notwendig als Vollzeitstudium oder vollzeitige Bildungsmaßnahme zu qualifizieren mit der Folge, dass die steuerliche Berücksichtigung von Fahrtkosten nicht auf die Entfernungspauschale begrenzt sei.

Im Entscheidungsfall schloss der Kläger im Jahr 2008 ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität in Hagen mit Diplom ab. Ab dem Wintersemester 2016/17 belegte er einen weiteren Studiengang „Diplom-II/Uni BWL/Wirtschaftswissenschaften” an der Fernuniversität in Hagen. Ausweislich der vorgelegten Studienbescheinigungen ist er während der gesamten (bisherigen) Studienzeit als „Teilzeitstudent” eingeschrieben.

Teilzeitstudierende sind Studierende eines Studienganges und müssen eine entsprechende Hochschulzugangsberechtigung nachweisen, studieren aber überwiegend berufsbegleitend in einem zeitlichen Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Die Studiendauer verlängert sich entsprechend. Teilzeitstudierende erhalten einen Studienausweis und sind Mitglieder der Hochschule.

Im Streitjahr 2017 übte der Kläger keine Erwerbstätigkeit aus.

In der gemeinsamen Steuererklärung machte er bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für Fahrtkosten für 29 Hin- und Rückfahrten zwischen seiner Wohnung und der Fernuniversität in Hagen zu je 277 km i.H. von insg. 4.819,80 EUR als Werbungkosten geltend. Die Berechnung der Fahrkosten hatte der Kläger nach Reisekostengrundsätzen, mithin mit 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer, durchgeführt und begründete dies damit, dass es sich um „ein Studium neben dem Beruf” handele.

Das beklagte Finanzamt berücksichtigte die Fahrtkosten nur unter Anwendung der Entfernungspauschale i.H. von insg. 2.410 EUR und führte dazu aus, dass eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Arbeitsverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht werde, eine erste Tätigkeitsstelle darstelle und somit nur die Entfernungspauschale berücksichtigt werden könne.

Praxishinweis

Der Argumentation des Finanzamts schloss sich das Niedersächsische FG nicht an. Vergleichbare Sachverhalte sollten bis zu einer Entscheidung des BFH (Az. VI R 7/22) offen gehalten werden.

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