Wird eine umsatzsteuerliche Organschaft durch Anordnung der insolvenzrechtlichen – vorläufigen – Eigenverwaltung mit Bestellung eines vorläufigen Sachwalters beendet? Das FG Münster hatte die Beendigung mit Urteil vom 7.9.2017 bejaht, doch der BFH hat mit Urteil vom 27.11.2019 entschieden, dass weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bei der Organgesellschaft eine Organschaft beenden, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird, sowie eine Anordnung gemäß
§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlässt. Das BMF hat nun den UStAE geändert und die Anwendung des BFH-Urteils verfügt. Dach gilt nun in Bezug auf die Eigenverwaltung bzw. auf die Insolvenzeröffnung (Abschnitt 2.8 Abs. 12 UStAE):
- Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft endet die Organschaft. Dies gilt jeweils auch bei Bestellung eines Sachwalters im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO.
- Wird im Rahmen der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, endet die Organschaft mit dessen Bestellung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter den maßgeblichen Einfluss auf den Schuldner erhält und eine Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger nicht mehr möglich ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners aufgrund eines Zustimmungsvorbehalts nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO verhindern kann.
- Das Gesagte gilt auch in den Fällen, in denen für den Organträger und die Organgesellschaft ein personenidentischer Sachwalter, vorläufiger Insolvenzverwalter oder Insolvenzverwalter bestellt wird.
- Hingegen beenden weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bei der Organgesellschaft eine Organschaft, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird sowie eine Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlässt (Anm.: Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO kann das Gericht Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind).
Praxishinweise
In dem BFH-Urteil, das dem aktuellen BMF-Schreiben zugrunde liegt, ging es um folgenden Sachverhalt: Zwischen der Klägerin, einer GmbH, und ihrer alleinigen Anteilseignerin, einer AG, bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft. Auf eigenen Antrag beider Gesellschaften beschloss das Amtsgericht jeweils die vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO) und bestellte einen Rechtsanwalt zum vorläufigen Sachwalter beider Gesellschaften. Ferner ordnete es Vollstreckungsschutz gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO an. Die Geschäftsführer der Klägerin waren (weiterhin) mit dem Vorstand der AG identisch. Die Klägerin sah in der Bestellung des vorläufigen Sachwalters eine Beendigung der Organschaft und gab ab diesem Zeitpunkt eigene Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab, die zu Vorsteuerüberhängen führten. Das Finanzamt lehnte demgegenüber die Umsatzsteuer-Festsetzungen gegenüber der Klägerin ab, weil die Umsatzsteuern weiterhin bei der Organmutter zu erfassen seien. Der BFH hat entschieden, dass die organisatorische, wirtschaftliche und finanzielle Eingliederung auch nach Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung unverändert fortbesteht.
Zu den praktischen Auswirkungen seiner Entscheidung führt der BFH unter anderem aus: „Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Organträger die Steuer beim FA anmelden, sie an das FA abführen und sich die dafür erforderlichen Mittel von der Organgesellschaft überweisen lassen. Der vorläufige Sachwalter kann dies nicht verhindern. Er wird davon nur unterrichtet und kann dies seinerseits dem Insolvenzgericht mitteilen …. Die Rechtsfrage, ob die Überweisung von der Organgesellschaft an den Organträger vom Sachwalter später angefochten werden kann oder nicht, muss der Senat dabei nicht entscheiden. Gleiches gilt für die Frage, ob der Ausgleichsanspruch eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit ist.“
Die Regelungen des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Stand: 21.05.2021