In seinem Beschluss vom 12.11.2020 hat sich der BFH mit der Frage befasst, wann eine als „Gewinnvorab“ bezeichnete Zahlung an den Gesellschafter einer Personengesellschaft der Umsatzsteuer unterliegt. Im konkreten Fall hat er entschieden, dass die Überlassung von Vieheinheiten durch einen Gesellschafter an eine KG unter Vereinbarung eines Vorabgewinns umsatzsteuerbar ist, wenn der Gesellschafter mit der Zahlung tatsächlich rechnen kann.
Sachverhalt:
Der Kläger ist als Land- und Forstwirt tätig; die im Rahmen seines Betriebs ausgeführten Umsätze werden nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 UStG versteuert. Daneben ist der Kläger mit einem Kapitalanteil von 97 Prozent Komplementär einer KG; Kommanditist mit einem Kapitalanteil von 3 Prozent ist A. Die KG betreibt ebenfalls einen landwirtschaftlichen Betrieb, allerdings mit dem Schwerpunkt Ferkelaufzucht in Form einer Tierhaltungskooperation. Der Kläger stellt der KG einen Ferkelaufzuchtstall zur Verfügung (jährliche Pacht ca. 22.000 Euro). Die Gesellschafter erhalten für die Überlassung von Vieheinheiten an die KG zudem einen Vorabgewinn von 5 Euro je überlassener Vieheinheit. Im Innenverhältnis der Gesellschafter wird dieser Vorabgewinn untereinander nicht als Aufwand behandelt und stellt auch keine Betriebsausgabe der Gesellschaft dar. Die Verteilung des Restgewinns oder eines Verlustes erfolgt im Verhältnis der festen Kapitalanteile. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Vergütung für die Überlassung von Vieheinheiten – zum Regelsteuersatz – der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei. FG und BFH teilen diese Auffassung.
Begründung:
Es liegt kein steuerbarer Leistungsaustausch vor, wenn Personengesellschafter für ihre Gesellschaft Leistungen erbringen, die als Gesellschafterbeitrag nur im Rahmen der allgemeinen Gewinnverteilung vergütet werden. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Leistungserbringung und damit ein steuerbarer Leistungsaustausch liegen dagegen vor, wenn die Leistung nach ihrem Umfang oder ihrer Menge abgegolten wird. Dies gilt auch bei einer Leistungserbringung gegen Vorabgewinn. Es kann ein (pachtähnlicher) Leistungsaustausch gegen Sonderentgelt vorliegen, wenn die Gesellschafter einer GbR ihre (land- und forstwirtschaftlichen) Betriebe gegen einen von vornherein feststehenden und jährlich gleichbleibenden „Vorabgewinn“ zur Nutzung überlassen oder andere gesonderte Leistungen erbringen. Maßgebend hierfür ist, dass sich der Vorabgewinn von vornherein nach den Leistungen richtet, die die Gesellschafter an die Gesellschaft erbringen. Der Unterschied zu einer Gewinnverteilungsabrede liegt in dem für die Nutzungsüberlassung angestrebten (besonderen), von vornherein feststehenden Entgelt.
Die Bezeichnung von Beiträgen im Innenverhältnis der Gesellschaft ist für die umsatzsteuerliche Beurteilung unerheblich. Es kommt vielmehr auf die tatsächlich erbrachten Beiträge an. Sind die erhaltenen Zahlungen nicht Ausfluss einer allgemeinen Gewinnbeteiligung, sondern beruhen auf tatsächlich erbrachten Gesellschafterbeiträgen, kann folglich ein Leistungsaustausch vorliegen.
Eine gesellschaftsvertragliche Regelung zum Wegfall des Vorabgewinns für den Fall, dass kein ausreichender Gewinn erwirtschaftet wird, ist grundsätzlich weniger hoch zu gewichten als die bewusst geschaffene Abhängigkeit zwischen Gesellschafterleistung und Entgeltzahlung. Soweit sich die Entgelterwartung des „Leistenden“ tatsächlich nicht erfüllt, weil die Gesellschaft nicht ausreichend Gewinn erwirtschaftet, ist dies von vornherein wie ein Einverständnis zur Minderung des Entgelts zu werten. Kann der „Leistende“ davon ausgehen, die vereinbarte Vergütung jährlich zu erhalten, entfällt der Leistungsaustausch auch nicht dadurch, dass der Erhalt der Vergütung ganz oder teilweise vom Zufall abhängig wäre.
Im Übrigen steht dem steuerbaren Leistungsaustausch auch nicht entgegen, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht auf schuldrechtlichen Vereinbarungen beruht, sondern in einem Gesellschaftsvertrag geregelt wird.
Der BFH führt weiter aus, dass die Umsätze aus der Überlassung von Vieheinheiten an eine Mitunternehmerschaft dem Regel- und nicht dem Durchschnittsteuersatz unterliegen. Der Kerngehalt der Überlassung von Vieheinheiten liege in der Verschaffung von Steuervorteilen bei der Einkommen- und Umsatzsteuer. Eine derartige Dienstleistung sei aber nicht im maßgebenden Leistungskatalog des Anhangs VIII der MwStSystRL enthalten und – bei der unionsrechtlich gebotenen engen Auslegung der Pauschalregelung – auch den dort genannten Leistungen nicht vergleichbar.
Praxishinweise
Ein Gesellschafter kann an die Gesellschaft sowohl Leistungen erbringen, die ihren Grund in einem gesellschaftsrechtlichen Beitragsverhältnis haben, als auch Leistungen, die auf einem gesonderten schuldrechtlichen Austauschverhältnis beruhen. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung dieser Leistungen richtet sich danach, ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Ergebnis (Gewinn und Verlust) der Gesellschaft abgegolten werden, oder um Leistungen, die gegen Sonderentgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind. Entscheidend ist die tatsächliche Ausführung des Leistungsaustausches und nicht allein die gesellschaftsrechtliche Verpflichtung.
Wie schwierig aber die Abgrenzung ist, wird deutlich, wenn man den aktuellen BFH-Beschluss mit dem Urteil des FG Münster vom 27.3.2018 vergleicht.
Dieses hatte seinerzeit – anders als nun der BFH – entschieden, dass ein für die Überlassung von Vieheinheiten geleisteter „Gewinnvorab“ einer KG an ihren Gesellschafter kein umsatzsteuerbares Entgelt darstellt. Der BFH sieht den Unterschied zwischen dem Urteil des FG Münster und seiner Entscheidung aber unter anderem darin, dass die KG im Fall des FG Münster einen Hof für ca. 70.000 Euro pachtete, so dass ein Verlust der KG nicht nur möglich war, sondern in einem der Streitjahre auch tatsächlich eintrat.
Im aktuellen BFH-Fall hingegen betrug nur die Pacht für einen Ferkelaufzuchtstall lediglich ca. 22.000 Euro, so dass mit der Zahlung des Sonderentgelts bzw. des Vorabgewinns zu rechnen war.
Letztlich wird man in ähnlich gelagerten Fällen darauf abstellen müssen, ob die Zahlung des Sonderentgelts bzw. des Vorabgewinns zumindest wahrscheinlich ist. Oder anders ausgedrückt: Ist aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls davon auszugehen, dass ein Gewinn nicht erwirtschaftet und mithin ein „Gewinnvorab“ gar nicht gezahlt werden kann, so spricht dieser Umstand eher gegen die Annahme eines Leistungsaustausches.
Stand: 21.05.2021