Wesentliche Elemente der Neuregelungen betreffen die bisherige Versandhandelsregelung nach § 3c UStG. Beachten Sie hierbei das Setzen neuer Begrifflichkeiten im Gesetz. Ab 1. Juli 2021 wird aus der bisherigen Versandhandelsregelung – mit markanten Änderungen – der Fernverkauf. Etwas vereinfacht ausgedrückt ist ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf der Versand einer Ware an eine Privatperson aus dem EU-Ausland nach Deutschland oder umgekehrt, letztlich also der klassische grenzüberschreitende Handel, heutzutage zumeist der Online-Handel. § 3c Abs. 1 UStG verlagert den Ort der Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs gemäß dem Bestimmungslandprinzip an den Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Wird die ab 1. Juli 2021 EU-weit einheitliche Umsatzschwelle von 10.000 Euro eingehalten, so gelten die üblichen Regeln. Auf die Anwendung der Umsatzschwelle kann verzichtet werden.
Für die Beurteilung der neuen Umsatzschwelle werden die sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen nach § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG und auch die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 UStG zusammengefasst.
Eine weitere wesentliche Neuerung zum 1. Juli 2021 betrifft die Einbeziehung von Betreibern elektronischer Schnittstellen in fiktive Lieferketten. Bei bestimmten Warenlieferungen durch einen Unternehmer über eine elektronische Schnittstelle, also über einen „digitalen Marktplatz“, wird der Betreiber dieses Marktplatzes Steuerschuldner für die anfallende Umsatzsteuer. Anstelle einer eventuellen Haftung wird er über eine gesetzliche Fiktion so behandelt, als ob er einen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und anschließend weitergeliefert hätte (§ 3 Abs. 3a UStG).
Bereits seit dem 1. April 2021 relevant ist das neue One-Stop-Shop-Verfahren: Bisher können Unternehmer das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren („MOSS“) nutzen, wenn sie auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen an Privatpersonen bzw. Nichtunternehmer in einem anderen Mitgliedstaat der EU erbringen. Das MOSS-Verfahren wird zum One-Stop-Shop-Verfahren (kurz „OSS“) weiterentwickelt. Dabei wird es auf innergemeinschaftliche Lieferungen über eine elektronische Schnittstelle, innergemeinschaftliche Fernverkäufe und alle am Ort des Verbrauchs ausgeführten Dienstleistungen an Nichtunternehmer im Gemeinschaftsgebiet ausgedehnt.
Für Fernverkäufe von Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert bis 150 Euro aus dem Drittlandsgebiet wird ein neuer Import-One-Stop-Shop (IOSS) eingeführt.
Geregelt werden die besonderen Besteuerungsverfahren OSS und IOSS in den §§ 18i, 18j und 18k UStG:
- In § 18i UStG wird ein besonderes Besteuerungsverfahren für alle sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer bestimmt, die von Unternehmern mit Sitz in einem Drittland erbracht werden. Das heißt: Sie können alle EU-weiten sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer über das OSS melden. Die Teilnahme an dem Verfahren „OSS – Nicht-EU-Regelung“ können nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer digital ab dem 1. April 2021 beim BZSt anzeigen.
- In § 18j UStG geht es um innergemeinschaftliche Leistungenund um den innergemeinschaftlichen Fernverkauf an Privatkunden. Unternehmer mit Sitz in einem EU-Staat können danach sämtliche Leistungen an Nichtunternehmer, die in einem anderen Mitgliedstaat zu besteuern sind, in ihrem Ansässigkeitsstaat melden, also OSS nutzen. Es wird aber auch nicht in der Gemeinschaft ansässigen Lieferern gestattet, OSS zu nutzen, allerdings hier beschränkt auf innergemeinschaftlichen Fernverkäufe und die bereits erwähnten fiktiven Lieferungen durch Betreiber einer elektronischen Schnittstelle nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG innerhalb eines EU-Mitgliedstaates an Nichtunternehmer mit Sitz oder Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet. Die Teilnahme an dem Verfahren „OSS – EU-Regelung“ können Unternehmer auf elektronischem Weg ab dem 1. April 2021 beim BZSt anzeigen.
- 18k UStG regelt das vereinfachte Anmeldeverfahren für Sendungen aus dem Drittlandsgebiet mit einem Sachwert bis 150 Euro (IOSS). Die Teilnahme an dem Verfahren IOSS können Unternehmer digital ab dem 1. April 2021 beim BZSt anzeigen.
Noch ein einleitender Hinweis: Derzeit ist die Sendung von Waren aus einem Drittland, deren Gesamtwert nicht höher ist als 22 Euro, einfuhrabgabenfrei. Bei einem Wert zwischen 22 Euro und 150 Euro sind die Sendungen zwar zollfrei, aber nicht frei von Einfuhrumsatzsteuer. Die Grenze von 22 Euro wird ab dem 1. Juli 2021 entfallen, so dass im Prinzip jede Einfuhr der Einfuhrumsatzsteuer unterliegt. Allerdings ist ein Fernverkauf aus dem Drittland steuerfrei, wenn der Sachwert maximal 150 Euro beträgt und das neue Import-One-Stop-Shop-Verfahren genutzt wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 7, § 18k UStG). Dies gilt im Übrigen nicht für Sendungen, die verbrauchsteuerpflichtige Waren enthalten.
Stand: 26.04.2021